Ich finde es ungemein spannend, welche Wege meine Kinder einschlagen. Manchmal nah an meinen Wegen, wenn wir uns gemeinsam an einem Surfspot in die Wellen stürzen oder nur einige Meter voneinander entfernt einen schneebedeckten Hang hinabfahren. Oft aber entwickeln sie sich auf eigenen Pfaden. Mein Sohn studiert, was ich in dieser Form nie gemacht habe. Meine Tochter singt – was Sie von mir nicht hören wollen, ich habe eindeutig andere Talente – und sie schreibt Songs. Vor kurzem erst hat Luana mit ihrem Gesangskollegen eine Gruppe gegründet. Sie haben Songs zusammen geschrieben und begonnen, sie auf Spotify zu veröffentlichen. Und die Songs werden bereits tausendfach gestreamt, wie ich auch letztens, ganz der stolze Vater, am Rande einer Veranstaltung des SwissBoardForums in Bern meinem Gesprächspartner erzählte.
Und ich erzähle Ihnen dies, weil wir im Gespräch auf Herausforderungen kamen, vor der nicht nur Künstler und Kreative wie meine Tochter stehen, sondern eben auch die Entscheider in Unternehmen: die Herausforderungen durch KI.
KI und Kreativität
Die Auswirkungen der Möglichkeiten von KI sind gewaltig, und ich sehe dabei auch viele sich positiv auswirkende Möglichkeiten: Zum Beispiel, dass KI, und damit verwandt Robotik, für Menschen repetitive Aufgaben erledigen kann, sodass sie zum Beispiel Zeit für kreativere Aufgaben haben.
Aber die Gefahren für kreative Menschen und Kreativität sind nicht zu unterschätzen. Was passiert zum Beispiel mit Musik, wenn KI beginnt, solche Songs massenhaft zu analysieren, zu imitieren, zu verwerten? Wem gehört dann eigentlich die Kreativität? Wo bleibt das Originäre? Und wie sieht das mit der Wertschöpfung aus?
Wenn KI gefüttert und trainiert wird, dann vor allem mit dem kreativen Potenzial und dem Know-how von Menschen, mit den Resultaten menschlicher Intelligenz und Kreativität. Was passiert dann mit unserem Know-how?
Die Entwickler von KI erstaunen uns mit der Leistungsfähigkeit von KI, auf die wir in einem gewissen Umfang kostenlos zugreifen können. Aber das volle Programm gibt es für uns über Abonnements und Subskriptionen. Das heißt, aus dem frei zugänglichen, über die Menschheitsgeschichte sich entwickelnden Potenzial und Fundus an Kreativität und Intelligenz wird ein kommerzielles Produkt.
Eine Folge ist: Die KIs werden immer besser und dann auch für die Anwender immer teurer.
Eine andere Folge ist, dass KI gerade für die großen Hightech-Unternehmen eine gewaltige Chance bedeutet, durch ihre Macht Politik und Gesellschaft zu beeinflussen. Die „Magnificent 7“, die sieben großen US-amerikanischen Technologieunternehmen Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla, haben heute schon so eine enorme Macht, die Möglichkeiten der KI spielen ihnen in die Karten.
Wiederum eine weitere Folge sind die Auswirkungen von KI auf die menschliche Intelligenz und Kreativität: Denn diese funktioniert nach der Devise, mit der auch Muskeln funktionieren: „Use it or lose it!“ Je öfter wir KI benutzen, zum Beispiel für Vorgänge, bei denen wir vorher nachdenken oder uns mit anderen kreativ austauschen mussten, umso mehr verlernen wir es, nachzudenken oder uns kreativ auszutauschen. Hirnareale werden nicht mehr stimuliert. Wir geben ein großes Stück Menschsein an die Maschine ab.
Und das birgt, um den Bogen zum Gespräch mit meinem Verwaltungsratkollegen auf dem SwissBoardForum zurückzuspannen, gerade auch für KMU-Unternehmen Gefahren.
Die Zukunft von KMU
Aus den hier nur skizzierten Folgen von KI ergibt sich für KMU-Unternehmen die Gefahr brutaler Abhängigkeit.
Auf der Hand liegt dabei die Abhängigkeit von den großen Unternehmen, die KI und Hightech anbieten. Geht es nicht mehr ohne KI, dann geht es auch nicht ohne diese Firmen. Locked-in-Business-Modelle sorgen für finanzielle, aber auch strukturelle Abhängigkeit.
Eine andere Gefahr, die ich Ihnen heute andeuten möchte, entsteht aus den Folgen der KI-Nutzung auf die Kreativität: Wir werden unternehmerische Gestaltungskraft verlieren.
Vieles von dem innovativen Potenzial, das sich aus dem Austausch von Menschen ergibt, einer Kommunikation, aus der Ideen entstehen, wird verloren gehen. Weil wir es verlernen. Weil wir als Menschen nicht mehr an unserer Könnerschaft arbeiten, um gekonnt und souverän zu agieren, sondern unsere Könnerschaft an KI delegieren.
Die Gefahr ist da, weil wir gerade auf der Ebene der Entscheider immer noch viel zu sehr im Modus des „schneller, höher, weiter“ sind. Weil wir Effizienz über Menschlichkeit stellen, wir uns von den Verheißungen zentraler Lösungen einfangen lassen. KI ist da natürlich ein tolles Versprechen, auf das wir gerne zugreifen, um schneller zu sein, bequem höher hinaus- und weiterzukommen.
Und mein Eindruck ist, es ist aktuell noch schwierig, in den Boards und Chefzimmern diese Gefahren zu diskutieren.
Denn wer will sich etwa in einem Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat äußern: „Ich finde es nicht gut, wenn wir auf den Zug aufspringen, wir müssen aufpassen, dass wir unsere Seele nicht verkaufen.“
Wer will schon gegen Weiterentwicklung und Technologie sein? Ich nicht. Bin ich auch nicht. In bestimmten Bereichen finde ich KI und Robotik genial. Aber nur in bestimmten.
Und ich denke, dass wir uns, denen es an der Zukunft unserer heimischen Wirtschaft gelegen ist, solchen Fragen stellen sollten: Was machen wir mit KI? Was macht KI mit uns? Warum sind wir noch im Modus „höher, schneller, weiter“? Wie gehen wir mit den Abhängigkeiten von großen High-Tech-Unternehmen um? Wie wichtig ist uns menschliche Könnerschaft? Wo finde ich denn jetzt die Songs von Ihrer Tochter, Herr Hotz?
Scherz beiseite. Die Frage, ob durch die KI für unsere Unternehmen Gefahr im Anzug ist, gehört auf die Tagesordnung. Solche Fragen und eventuelle Probleme und mögliche Szenarien sollten unter den Führungspersönlichkeiten diskutiert werden, um Klarheit zu finden und souveräne Entscheidungen für den Weg in die Zukunft zu treffen.
Ihr Markus Hotz
PS: Die Songs meiner Tochter und ihrer Band „Not Two Late“ finden Sie übrigens hier.
