An diesem Surfspot waren meine Tochter und ich das erste Mal: Die Atlantikküste vor Agadir, Marokko. Ein Surfgebiet, das mit einer beeindruckenden Kulisse punktet. Ein Surfgebiet aber auch, das, wie ich bereits aus meiner Onlinerecherche wusste, als schwierig galt. Wir hatten zu den aktuellen Surfbedingungen, dem Wind, der Wellenhöhe, bereits eine einschlägige App auf meinem Smartphone konsultiert.
Aber bevor wir uns in die Wellen wagten, tat ich, was ich immer an einem neuen Spot tue – und davon bin ich bei aller Erfahrung und trotz meiner Erfolge als Windsurfer nie abgekommen: Ich suchte mir einen Local, in dem Fall eine Surfschule, uns schaute mir an, was haben die für Material, welche Bretter nutzen sie. Ich fragte einen der Surflehrer: „Kannst du mir das Revier erklären? Auf was muss ich achten? Wann sind die besten Zeiten, um rauszugehen? Wie ist das mit den Strömungen?“
Warum denn das, fragen Sie sich vielleicht, ich hatte mich doch schon über Internetrecherche und über die App informiert.
Ja, warum? Weil es vor Ort eben immer anders ist, als es digital zu erfahren ist. Sie haben vor Ort nie 100 Prozent die gleichen Bedingungen, wie diese online zu finden sind. Und auch wenn die Fülle und Qualität der digitalen Informationen beeindruckend sind und Sie diese auf keinen Fall nicht berücksichtigen sollten – denn es geht nicht um ein entweder-oder –, wir können auf die analoge Kommunikation nicht verzichten: Nicht beim Surfen, wo ich in Echtzeit wichtige Informationen bekomme, nicht im Business und auch nicht in unserer Gesellschaft.
Kommunikation ist mehr als Informationsaustausch
Digitale Kommunikation filtert. Sie filtert Tonlagen, Körpersprache, spontane Reaktionen. In einem Zoom-Call sehen Sie vielleicht ein Gesicht, aber nicht unbedingt, wie jemand mit dem Stuhl wippt, nervös mit dem Kugelschreiber klickt oder bei einem bestimmten Thema innehält. Wichtige nonverbale Signale gehen oft unter. Dabei geht Wesentliches verloren: Resonanz, Vertrauen, Nuance, die Zwischentöne.
Diese Zwischentöne sagen aber oft mehr als Worte. Analoge Kommunikation transportiert sie alle.
Ich bin kein Digitalverweigerer. Im Gegenteil (das erkennen Sie schon an meinem Buch „Wer sich festhält, kann den Ball nicht fangen: So denken die Gewinner der digitalen Transformation“ [https://www.markushotz.ch/Book/]).
Aber die Digitalisierung gewinnt in einem Maße ein Übergewicht, dass wir zunehmend verlernen, Auge in Auge, authentisch, echt, im Einklang mit der eigenen Persönlichkeit, mit Standing und Aufmerksamkeit analog zu kommunizieren.
Wir verlieren die Kompetenz, in Momenten der Begegnung wirklich da zu sein. Präsenz lässt sich nicht per WLAN übertragen.
In vielen Unternehmen wird Kommunikation zur To-do-Liste: E-Mails, Chats, Kalender-Einträge, Zoom- und Teams-Calls. Die Zwischenräume – das, was Teams verbindet, was Kultur formt, was Vertrauen schafft – verschwinden. Die Folge: Missverständnisse und Unsicherheiten, die Räume für die Entwicklung werden so kleiner.
Echte Kommunikation schafft Räume
Echte, authentische Kommunikation schafft Räume. Räume für echte Begegnungen, in denen Menschen sich gesehen, gehört und gemeint fühlen. Räume für ein Miteinander, in dem Vertrauen entstehen kann, gerade auch im Business.
Die Geschwindigkeit, in der Entscheidungen zu treffen sind und auf Veränderungen zu reagieren ist, nimmt rapide zu. Informelle, analoge Kommunikation hat hier entscheidende Vorteile gegenüber rein digitaler Kommunikation: Wer sich morgens fünfzehn Minuten mit dem Team auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine austauscht, der erlebt: Kommunikation wird klarer. Entscheidungen fallen schneller. Konflikte lassen sich früher erkennen. Vertrauen wächst.
Echte, authentische Kommunikation schafft aber auch Räume für die Kommunikation mit sich selbst.
Authentisch zu kommunizieren heißt, zu wissen, wer man ist. Was man meint. Wofür man steht und wofür nicht. Bei einer analogen Kommunikation führt kein Weg an der eigenen Persönlichkeit vorbei: Wer sich seiner selbst klar und bewusst ist, ist fähiger, auch klar zu kommunizieren. Auch dort, wo wir unsicheres Terrain betreten.
Auch dies hat eine Businessseite, denn im Business sind mehr denn je starke, echte Persönlichkeiten mit Haltung gefragt: Persönlichkeiten, die sich durch ihre ausgeprägte Individualität in einer Welt der Gleichmacherei positionieren und die den Mut haben, neu und anders zu denken, auch anders, als sie selbst immer gedacht hatten. Auch diese starken Unternehmerpersönlichkeiten brauchen kommunikativen Austausch. Ohne Austausch keine Weiterentwicklung (LINK https://www.markushotz.ch/damit-das-rueckgrat-der-gesellschaft-nicht-bricht/) – und dieser Austausch ist eben analog, Auge in Auge. Er hat Handschlag-Qualität und wird damit –beglaubigt durch den persönlichen Auftritt – wesentlich verbindlicher als jedes digitale Miteinander.
Mag das auch altmodisch klingen, so ist es das auf keine Weise: Weil die Kompetenz zu einer solchen persönlichen Kommunikation eine Fähigkeit ist, die uns ermöglicht, unser Leben, unsere Gemeinschaft, unser Business, unsere Welt reicher zu gestalten.
Diese Fähigkeit lässt sich wie ein Muskel trainieren. Nicht mit Rhetorik-Workshops oder Kommunikationshandbüchern – sondern durch echte Praxis. Durch Zuhören. Durch Präsenz. Durch Fragen. Durch harmlose Fragen, wie einen Surflehrer nach seinem Revier zu fragen. Durch mutige Fragen, die an die Substanz gehen, weil sie nicht an der Oberfläche bleiben, sondern in die Tiefe gehen.
Authentische, analoge Kommunikation ist nicht altmodisch – und auch kein Rückschritt. Sie ist grundlegend. Für Vertrauen. Für Zusammenarbeit. Für Wandel. Um mit Freude aus dem Gestern in die Zukunft zu surfen.
Ihr Markus Hotz